Auf dem Nachthimmel über der Sultan Ahmed Moschee
die hellen Flügel der Möven
ein Wimpernzucken des Drachen und ich bin weg.
In der Dunkelheit leuchten Springbrunnen in den Häfen dieser Welt.
Der Drache trägt Sehnsucht auf seinen Schuppen
wie ein glänzendes Netz
Byzanz. Konstantinopel. Istanbul. Gesänge über dem Bosporus.
Schiffe kreuzen auf dem Marmara Meer im Wind.
Ich hänge Wörter an die Wimper des Drachen.
Sein Körper schimmert unter der einbrechenden Nacht
vom Staub des Tages geschmückt
durchbrechen Flügelschläge die Musik
aus dem Hafen einen Atemzug lang
schweigt der Drache auf den Hügeln ausgebreitet
zitternd unter den Stössen des Tages
die aufgerissenen Pflaster zeigen Untergrund
Zärtlichkeit und Gewalt in einem Atemzug
die Stimmen der Muezzins tragen Gebete nach Europa.
Durch die Wogen des Marmarameeres
hämmernd und klagend Fetzen von Musik
in dunklen Gassen werden zerstörte Leben
wiedergeboren in den Wassern am Goldenen Horn
und von sieben Hügeln hinab fliessen Tränen
im Zuge der Zeit im Klopfen von Motoren
in kurdischen Gesängen aus Anatolien
ist Abschied die wiederkehrende Melodie und
auf den Gräbern blühen osmanische Tulpen
in Istanbuls Erde die zu Staub wird unter den Füssen
ihrer Bewohner deren Abbilder
auf den Fotoapparaten der Touristen
Negative bleiben mit ungewisser Auflösung.
In den Teegläsern löst sich der Zucker
die Wirklichkeit bleibt ein Geheimnis
den Geschmack von Pistazien und Sesambrot
auf der Zunge nach Hause tragen und das Geräusch
der nächtliche Kämpfe von Katzen über den Dächern
Hingabe an das Leben pulsierend im Körper
des Drachen und in den Moscheen
die geöffneten Hände der Muslime beim Gebet.
Eine Kraft aus den kurdischen Bergen ein magischer Klang
wird bleiben im Herzen des Drachen unerbittlich
wie das Kreisen der Möven in der Dunkelheit um den Galataturm.
Die Begierde des Ungeheuers und das Leid
die abperlenden Tropfen auf seinen Schuppen
sind aus dem Gold der Byzantiner.
Blinkende Lichter hinter den Wimpern
Grenzen markiert zum Überschreiten
Hin und Her im Dazwischen
im Auge des Drachen ruhen seine Pupillen
schwarz wie die Wasser des Bosporus
in der Nacht Worte tauschen wie fremde
Münzen unter den Menschen
ist eine Illusion die Sprache eine Grenze
und ein Tagtraum ist Istanbul
oder Wirklichkeit auf der Probe aus
Depressivität den dunklen Fluss
verlassen durch die Stadt schreiten,
die vom Meer umgeben ist.
Mich ausspucken lassen vom Drachen,
mich von seiner Wimper losreissen.
Sie ausreissen wird er mir nicht zumuten.
Nur sie zu berühren. Und sie wieder loszulassen.
Ein Versprechen zurückzukehren.
Eva Burkhard