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Eindrücke aus 4 Wochen Istanbul – Karin Kaçi

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Als ich im Juli nach Istanbul kam, um dort Dank des Manzara-Stipendiums für vier Wochen zu leben und an meinem Jugendroman weiterzuschreiben, der in Istanbul spielt, dachte ich, ich kenne die Stadt bereits. Meine Familie stammt aus Istanbul, ich habe Verwandte dort und war schon öfter zu Besuch. Mir waren also weder die Orte noch die Sprache oder die Menschen und ihre Mentalität fremd, so wie es vielleicht ein anderer Stipendiat oder ein Tourist bei einem erstmaligen Istanbultrip erlebte. Ich wusste, ich kannte nicht jedes Viertel der Millionenmetropole, ich wusste, es würde anders werden, wenn ich alleine in einem Apartment mitten im wuseligen Galata leben würde und nicht bei meinen Verwandten auf den Prinzeninseln, wenn ich alleine durch die Straßen ging und in die Busse stieg, wenn ich alleine beim Händler nebenan einkaufte und am Abend einen Platz für meine Mülltüte auf der Straße suchte. Aber ich wusste nicht, wie anders es werden würde. Ich wusste nicht, dass ich hinterher meiner Geschichte einen komplett neuen Anstrich verpassen musste, weil der alte nicht so recht den Zeitgeist dieser Stadt einfangen wollte. Ich wusste nicht, dass es den Zeitgeist in Istanbul überhaupt nicht gibt und er schon gar nicht einfangbar ist.
Vielmehr überrannten mich die Zeitgeister, die neuen und die alten, und fingen mich ein. Jedes Viertel, ja, beinahe jeder Straßenzug in Istanbul bildet seine eigene Welt. In der ersten Woche fiel mir nur ein Wort dazu ein: krass. Wie sollte ich mit nur einem Wort etwas beschreiben, was nicht schon jeder Reiseführer beschrieb? Alles war einfach krass. Krass weit, krass voll, wirklich eine Megacity, krass orientalisch, krass heruntergekommen, laut, chaotisch, befremdlich, aggressiv – dann wieder krass schick, krass urban, krass luxuriös, idyllisch, wunderschön, sonnig und warmherzig. Altbauten wie Sand am Meer, mal pastellfarben, mal kurz vor dem Zusammenbruch. In der oberen Etage wucherten schon die Schlingpflanzen, in der unteren guckte jemand aus dem Fenster, nebenan hing frische Wäsche und drei Straßen weiter stieg ein anderer in seine Limousine. Berge und Täler wie Tag und Nacht und durch die Mitte floss kein Fluss, sondern das Meer. Eine Stadt ohne Einheit, ohne Struktur, wie sollte ich da einen Alltag finden und schreiben? Zwei Wochen waren um.

Ich lief weiter durch die Viertel, schaute mir die Orte meiner Geschichte an und wurde von neuen überrascht. Ganz Asien hatte ich nicht gekannt. Jetzt saß ich am Tag mit einer türkischen Schauspielerin und einem Tee in einem improvisierten Café in Moda und blickte auf das blaue Marmarameer und die weißen Segelboote. Eine grüne Idylle wie auf den Prinzeninseln. Am Abend saß ich mit einem Haufen Mittzwanziger und einer Flasche Raki auf der Kneipenstraße von Kadiköy und fühlte mich wie in Barcelona. Istanbul schlief nie und schon gar nicht vor meiner Haustür. Drei Wochen waren um.

Ich wohnte mittendrin, in Galata, in Beyoglu, im Kreuzberg-meets-Südstadt-Viertel – aber in Istanbul meets sowieso alles jeden. Ich traf am liebsten die junge Linke, die auf der Istiklal Caddesi den CSD feierte, den kurdischen Taxifahrer, der aus Diyarbakır kam und seine Heimat vermisste, den besten Bäcker von Kurtulus und seine Kekse, den kleinen Jungen in Kumkapı, der mit einer Waage am Straßenrand saß und mich für 50 Cent wiegen wollte, und den jungen Mann aus dem Bilderrahmengeschäft in meiner Straße, der mir einen Holzrahmen für die alten Schwarzweißfotos meiner Eltern aus Istanbul baute. Vier Wochen waren um.
Ich hatte kaum eine Seite in meinem Manuskript weitergeschrieben, aber 50 Seiten voller Notizen ohne Struktur. Für die Struktur habe ich nun in Deutschland Zeit. Aber ohne die Notizen aus Istanbul wüsste ich gar nicht, wie ich die Geschichte hätte schreiben können.
Als ich im Juli nach Istanbul kam, um dort Dank des Manzara-Stipendiums für vier Wochen zu leben und an meinem Jugendroman weiterzuschreiben, der in Istanbul spielt, dachte ich, ich kenne die Stadt bereits. Meine Familie stammt aus Istanbul, ich habe Verwandte dort und war schon öfter zu Besuch. Mir waren also weder die Orte noch die Sprache oder die Menschen und ihre Mentalität fremd, so wie es vielleicht ein anderer Stipendiat oder ein Tourist bei einem erstmaligen Istanbultrip erlebte. Ich wusste, ich kannte nicht jedes Viertel der Millionenmetropole, ich wusste, es würde anders werden, wenn ich alleine in einem Apartment mitten im wuseligen Galata leben würde und nicht bei meinen Verwandten auf den Prinzeninseln, wenn ich alleine durch die Straßen ging und in die Busse stieg, wenn ich alleine beim Händler nebenan einkaufte und am Abend einen Platz für meine Mülltüte auf der Straße suchte. Aber ich wusste nicht, wie anders es werden würde. Ich wusste nicht, dass ich hinterher meiner Geschichte einen komplett neuen Anstrich verpassen musste, weil der alte nicht so recht den Zeitgeist dieser Stadt einfangen wollte. Ich wusste nicht, dass es den Zeitgeist in Istanbul überhaupt nicht gibt und er schon gar nicht einfangbar ist.
Vielmehr überrannten mich die Zeitgeister, die neuen und die alten, und fingen mich ein. Jedes Viertel, ja, beinahe jeder Straßenzug in Istanbul bildet seine eigene Welt. In der ersten Woche fiel mir nur ein Wort dazu ein: krass. Wie sollte ich mit nur einem Wort etwas beschreiben, was nicht schon jeder Reiseführer beschrieb? Alles war einfach krass. Krass weit, krass voll, wirklich eine Megacity, krass orientalisch, krass heruntergekommen, laut, chaotisch, befremdlich, aggressiv – dann wieder krass schick, krass urban, krass luxuriös, idyllisch, wunderschön, sonnig und warmherzig. Altbauten wie Sand am Meer, mal pastellfarben, mal kurz vor dem Zusammenbruch. In der oberen Etage wucherten schon die Schlingpflanzen, in der unteren guckte jemand aus dem Fenster, nebenan hing frische Wäsche und drei Straßen weiter stieg ein anderer in seine Limousine. Berge und Täler wie Tag und Nacht und durch die Mitte floss kein Fluss, sondern das Meer. Eine Stadt ohne Einheit, ohne Struktur, wie sollte ich da einen Alltag finden und schreiben? Zwei Wochen waren um.
Ich lief weiter durch die Viertel, schaute mir die Orte meiner Geschichte an und wurde von neuen überrascht. Ganz Asien hatte ich nicht gekannt. Jetzt saß ich am Tag mit einer türkischen Schauspielerin und einem Tee in einem improvisierten Café in Moda und blickte auf das blaue Marmarameer und die weißen Segelboote. Eine grüne Idylle wie auf den Prinzeninseln. Am Abend saß ich mit einem Haufen Mittzwanziger und einer Flasche Raki auf der Kneipenstraße von Kadiköy und fühlte mich wie in Barcelona. Istanbul schlief nie und schon gar nicht vor meiner Haustür. Drei Wochen waren um.
Ich wohnte mittendrin, in Galata, in Beyoglu, im Kreuzberg-meets-Südstadt-Viertel – aber in Istanbul meets sowieso alles jeden. Ich traf am liebsten die junge Linke, die auf der Istiklal Caddesi den CSD feierte, den kurdischen Taxifahrer, der aus Diyarbakır kam und seine Heimat vermisste, den besten Bäcker von Kurtulus und seine Kekse, den kleinen Jungen in Kumkapı, der mit einer Waage am Straßenrand saß und mich für 50 Cent wiegen wollte, und den jungen Mann aus dem Bilderrahmengeschäft in meiner Straße, der mir einen Holzrahmen für die alten Schwarzweißfotos meiner Eltern aus Istanbul baute. Vier Wochen waren um.
Ich hatte kaum eine Seite in meinem Manuskript weitergeschrieben, aber 50 Seiten voller Notizen ohne Struktur. Für die Struktur habe ich nun in Deutschland Zeit. Aber ohne die Notizen aus Istanbul wüsste ich gar nicht, wie ich die Geschichte hätte schreiben können.
Als ich im Juli nach Istanbul kam, um dort Dank des Manzara-Stipendiums für vier Wochen zu leben und an meinem Jugendroman weiterzuschreiben, der in Istanbul spielt, dachte ich, ich kenne die Stadt bereits. Meine Familie stammt aus Istanbul, ich habe Verwandte dort und war schon öfter zu Besuch. Mir waren also weder die Orte noch die Sprache oder die Menschen und ihre Mentalität fremd, so wie es vielleicht ein anderer Stipendiat oder ein Tourist bei einem erstmaligen Istanbultrip erlebte. Ich wusste, ich kannte nicht jedes Viertel der Millionenmetropole, ich wusste, es würde anders werden, wenn ich alleine in einem Apartment mitten im wuseligen Galata leben würde und nicht bei meinen Verwandten auf den Prinzeninseln, wenn ich alleine durch die Straßen ging und in die Busse stieg, wenn ich alleine beim Händler nebenan einkaufte und am Abend einen Platz für meine Mülltüte auf der Straße suchte. Aber ich wusste nicht, wie anders es werden würde. Ich wusste nicht, dass ich hinterher meiner Geschichte einen komplett neuen Anstrich verpassen musste, weil der alte nicht so recht den Zeitgeist dieser Stadt einfangen wollte. Ich wusste nicht, dass es den Zeitgeist in Istanbul überhaupt nicht gibt und er schon gar nicht einfangbar ist.
Vielmehr überrannten mich die Zeitgeister, die neuen und die alten, und fingen mich ein. Jedes Viertel, ja, beinahe jeder Straßenzug in Istanbul bildet seine eigene Welt. In der ersten Woche fiel mir nur ein Wort dazu ein: krass. Wie sollte ich mit nur einem Wort etwas beschreiben, was nicht schon jeder Reiseführer beschrieb? Alles war einfach krass. Krass weit, krass voll, wirklich eine Megacity, krass orientalisch, krass heruntergekommen, laut, chaotisch, befremdlich, aggressiv – dann wieder krass schick, krass urban, krass luxuriös, idyllisch, wunderschön, sonnig und warmherzig. Altbauten wie Sand am Meer, mal pastellfarben, mal kurz vor dem Zusammenbruch. In der oberen Etage wucherten schon die Schlingpflanzen, in der unteren guckte jemand aus dem Fenster, nebenan hing frische Wäsche und drei Straßen weiter stieg ein anderer in seine Limousine. Berge und Täler wie Tag und Nacht und durch die Mitte floss kein Fluss, sondern das Meer. Eine Stadt ohne Einheit, ohne Struktur, wie sollte ich da einen Alltag finden und schreiben? Zwei Wochen waren um.
Ich lief weiter durch die Viertel, schaute mir die Orte meiner Geschichte an und wurde von neuen überrascht. Ganz Asien hatte ich nicht gekannt. Jetzt saß ich am Tag mit einer türkischen Schauspielerin und einem Tee in einem improvisierten Café in Moda und blickte auf das blaue Marmarameer und die weißen Segelboote. Eine grüne Idylle wie auf den Prinzeninseln. Am Abend saß ich mit einem Haufen Mittzwanziger und einer Flasche Raki auf der Kneipenstraße von Kadiköy und fühlte mich wie in Barcelona. Istanbul schlief nie und schon gar nicht vor meiner Haustür. Drei Wochen waren um.
Ich wohnte mittendrin, in Galata, in Beyoglu, im Kreuzberg-meets-Südstadt-Viertel – aber in Istanbul meets sowieso alles jeden. Ich traf am liebsten die junge Linke, die auf der Istiklal Caddesi den CSD feierte, den kurdischen Taxifahrer, der aus Diyarbakır kam und seine Heimat vermisste, den besten Bäcker von Kurtulus und seine Kekse, den kleinen Jungen in Kumkapı, der mit einer Waage am Straßenrand saß und mich für 50 Cent wiegen wollte, und den jungen Mann aus dem Bilderrahmengeschäft in meiner Straße, der mir einen Holzrahmen für die alten Schwarzweißfotos meiner Eltern aus Istanbul baute. Vier Wochen waren um.
Ich hatte kaum eine Seite in meinem Manuskript weitergeschrieben, aber 50 Seiten voller Notizen ohne Struktur. Für die Struktur habe ich nun in Deutschland Zeit. Aber ohne die Notizen aus Istanbul wüsste ich gar nicht, wie ich die Geschichte hätte schreiben können.