Für unsere Reihe „10 Fragen“ haben wir Martin Posth interviewen dürften – ein langjähriger MANZARA Gast, der Istanbul seit den 60er Jahren bereist.
1. WANN HABEN SIE ISTANBUL ZUM ERSTEN MAL BEREIST?
Das war im Jahre 1961 nach meinem Abitur. Ich hatte einen Onkel, der in Istanbul lebte und der Leiter der Deutschen Orientbank war. Dieser Onkel übersiedelte im Jahr 1912 von Kairo nach Konstantinopel, wo er mit Unterbrechungen bis 1978 wohnhaft blieb. Er war sozusagen der Senior der Deutschen Kolonie und über zwei Jahrzehnte der Präsident der deutschen Schule und des Deutschen Krankenhauses in Istanbul, wo er nach einem erfüllten Leben 1978 verstarb.
Ab Abitur lud er meinen Bruder und mich jedes Jahr in die Türkei ein. Man kann sich vorstellen, dass Istanbul zu dieser Zeit einen völlig anderen Charakter hatte. Die Stadt hatte 3,5 Millionen Einwohner, es gab noch keine Verkehrsampeln, und die Dolmuse (Sammeltaxis) in Form amerikanischer Cadillacs, Dodges und Chevrolets waren die wichtigsten Verkehrsmittel.
2. WAS FASZINIERT SIE AM MEISTEN AN DIESER STADT?
Was mich fasziniert ist wohl der Umstand, dass Istanbul ein Schmelztiegel zwischen Europa und Asien, zwischen Okzident und Orient ist. Aber nicht nur das: Es ist auch ein Ort an dem sich unterschiedliche Völker trafen und gemeinsam lebten. Das ehemalige Miteinander von Armeniern, Kurden, Griechen, Juden und Arabern, aber auch Russen, Franzosen und Deutschen – eine wilde Mischung, die das Stadtbild nachhaltig geprägt haben. Diese Gegensätzlichkeit der Nachbarschaften ist auch heute noch einfach erfrischend. Da fährt man von dem urbanen Beyoglu mit der Fähre in 20 Minuten rüber in das traditionell armenisch geprägte Üsküdar und alles ist anders: Menschen, Gebäude, Gerüche, das Flair. Ich bin einfach immer wieder überwältigt von dieser Stadt am Wasser. Und natürlich fasziniert mich der Basar wegen meiner Teppichsammlung.
3. GIBT ES EIN TÜRKISCHES WORT, DAS SIE AM LIEBSTEN MÖGEN UND WENN JA WARUM?
Ich spreche nur wenig Türkisch. Aber das Wort Serefe, es heißt Prost, mag ich – es bedeutet wörtlich übersetzt “zu deinen Ehren”. Meine Frau und ich lieben den türkischen Wein und benutzen deshalb das „Serefe“ jeden Tag.
4. WELCHE TUGEND/EIGENSCHAFT DER TÜRKEN WÜRDEN SIE DEN DEUTSCHEN WÜNSCHEN? UND UMGEKEHRT?
Eine schwere Frage. Da muss man vorsichtig mit voreiligen Einschätzungen sein. An den Türken schätze ich die scheinbar angeborene Freundlichkeit. Als ich früher mit der Eisenbahn von Istanbul durch die Dörfer in Anatolien fuhr, wurde ich allerorten mit einer unglaublichen Gastfreundschaft empfangen. Deutsche gehen mit Fremden oft schroff um. Die Herzlichkeit ist in der Türkei sprichwörtlich: ob ich auf dem Basar oder bei meinem Schuhputzer am Galataturm bin, überall spürt man eine ganz natürliche Freundlichkeit.
Umgekehrt – das ist schwer zu generalisieren. Vielleicht mehr Zielgerichtetheit. Laisse faire funktioniert halt nicht immer und überall. Die Migrationsgeschichte zwischen der Türkei und Deutschland hat aber sicher dazu beigetragen, dass kulturtypische Tugenden von beiden Seiten übernommen wurden.
5. GIBT ES EINEN ORT IN ISTANBUL, DEN SIE BESONDERS MÖGEN?
Den Basar, den mag ich natürlich. Aber es gibt da noch einen anderer Ort, der mir besonders wichtig ist: Die Kariye Camii, in der Nähe der Stadtmauer, mit ihren herrlichen Mosaiken. Sie ist relativ abseits gelegen, hat weniger Touristenrummel als die Süleymaniye oder die Blaue Moschee.
Dr. Martin Posth und seine Frau Katharina auf der Terrasse des Apartments Topkapi „Für uns gibt es keine Alternative, meine Frau und ich fühlen uns bei MANZARA wie zu Hause.“
6. SIE SIND EIN LEIDENSCHAFTLICHER SAMMLER ANATOLISCHER TEPPICHE UND KELIMS, WIE SIE ES IN IHREM, IM JAHRE 2014 ERSCHIENENEN, BUCH „GESAMMELTE SCHÖNHEIT/COLLECTED BEAUTY“ ZUM AUSDRUCK GEBRACHT HABEN. WIE HAT SICH DIESE BEGEISTERUNG ENTWICKELT?
Der Anfang ist etwas seltsam. Ich habe ja von meinem Onkel aus Istanbul erzählt. Er starb 1978 und ich wurde zum Testamentsvollstrecker ernannt und musste den Nachlass richten. In dem Nachlass waren auch Teppiche. Um diese Zeit, also Ende der 1970er, war die Türkei ein innerpolitisches Pulverfass. Das mündete dann 1980 in dem Militärputsch. Ich versuchte daher, viel von den Nachlassgegenständen auf dem großen Basar zu verkaufen. Ausführen war unmöglich. Ein österreichischer Industrieller hat mir damals geholfen und mich mit Händlern bekannt gemacht. Ich brachte dem Teppichhändler und späteren Freund Kemal Duykan unter anderem einen großen turkmenischen Teppich, der einen außergewöhnlichen Rotton hatte. Er sollte versuchen, ihn für mich auf dem Basar zu versteigern. Das tat er allerdings nicht und sagte zu mir: „Nimm diesen Teppich zurück. Ich habe einen so außergewöhnlichen Teppich aus Turkmenien noch niemals gesehen.
Dann begann er mir alles über Teppiche zu erklären: Licht, Knoten, Kette und Schuss. Dabei haben wir eine Flasche Raki getrunken. Den Teppich habe ich wieder mitgenommen und mir mein erstes Buch über Teppiche gekauft. Als ich ihn wieder besuchte, hat er mir 20 Teppiche gebracht und gefragt: „Welcher ist der Schönste? Was denkst du?“ Ich habe intuitiv entschieden und Volltreffer – es war der Kostbarste. „Woher wusstest du, dass das der Wertvollste aus der Kollektion ist?“ hat er gefragt. Ich hatte keine Ahnung, aber dieser türkische Teppich, ein Gelveri-Gebetsteppich aus Mohair Wolle wurde die Nummer zwei in meiner Inventarliste. Wenn man einmal angefangen hat, Teppiche zu sammeln, kann man nicht mehr aufhören. So hat sich meine unheilbare „Krankheit“ entwickelt.
Mein nächstes Projekt ist eine Ausstellung anatolischer Teppiche. Ich würde sie gerne in Berlin zeigen – falls sich die passenden Kooperationspartner finden –, um der türkischen Community vor Ort Zugang zu diesen wunderschönen Kunst- und Kulturschätzen ihrer Heimat zu geben.
7. WIE SIND SIE AUF MANZARA ISTANBUL AUFMERKSAM GEWORDEN?
Ich wusste gar nichts von MANZARA. Ein Freund aus Berlin hat mir dann MANZARA empfohlen, „Da kannst du fantastische Apartments mieten“ hat er gesagt. Gleich bei ersten Mal haben wir einen Volltreffer gelandet: Wir wohnten in dem Apartment Topkapi.
8. SIE WAREN SCHON MEHR ALS SECHSMAL ZU GAST BEI MANZARA ISTANBUL. HABEN SIE EINE „LIEBLINGSWOHNUNG“? UND WENN JA, WARUM BEWOHNEN SIE GERADE DIESE IMMER WIEDER?
Das Topkapi Apartment. Umwerfend ist nicht nur die Aussicht. Man fühlt sich einfach frei dort oben, man schwebt über allem: der Altstadt, den Brücken, den Moscheen und dem Serail sowie dem Bosporus und dem Marmarameer mit all dem Trubel auf dem Wasser.
9. WAS SCHÄTZEN SIE AN MANZARA ISTANBUL?
Das Gesamtkonzept und die persönliche Ansprache. MANZARA bietet einfach mehr als eine Unterkunft für Menschen, die noch nie in Istanbul waren und solche, die sich schon heimisch fühlen. Das komplette Angebot, die Spaziergänge und die Ausflüge, das Boot, das Architekturstipendium und das Künstlernetzwerk eingebettet in die große Herzlichkeit des Teams, das sich auch als Brückenbauer zwischen Orient und Okzident versteht -das fühlt sich authentisch an. Da entsteht nie der Gedanke eines anonymen Hotels. Das ist viel mehr eine Gemeinschaft aus Gleichgesinnten, eine wirkliche Bereicherung im Gegensatz zu Portalen wie Airbnb. Für uns gibt es keine Alternative, meine Frau und ich fühlen uns bei MANZARA wie zu Hause.
10. WAS BEDEUTET FÜR SIE AUSSICHT?
Aussicht ist ja neutral – aber bei MANZARA ist damit eine außergewöhnliche Qualität verbunden. Die Stadt wird ein Hochgenuss für Auge und Seele.
Das Buch von Dr. Martin Posth „Gesammelte Schönheit/Collected Beauty. Teppiche und Kelims aus Anatolien/Rugs an Kilims from Anatolia“ (224 S. mit 94 ganzseitigen Farbtafeln, 89 Euro, exklusive Porto) ist in limitierter Auflage erschienen. Zu beziehen unter folgender Emailadresse (m.posth@t-online.de)
Interview: Elisa Pieper
Fotos: Dominic Tschoepe