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Tipps für Beyoglu, Istanbul

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Wer einen Platz sucht, um die Seele baumeln zu lassen, fragt am besten eine Katze. Istanbul ist die Stadt der Katzen. Im Wirrwarr der Gassen rund um den Galataturm verliert man sich leicht. Bars, Restaurants, Jazzclubs, Kaffeehäuser, Buchhandlungen und Läden, noch und noch. Wer hier die Perlen finden will, folgt einfach dem Schnurren der „Kedi“. Sie sind überall dort, wo man sich auch gerne niederlässt.

Zum Beispiel im „Kaffeehaus“ am Tünelplatz . Hier isst man „Menemem“, das türkische Rührei, und liest dazu die Zeitung. Vorsicht – die Kaffeehaus-Katze hat die gleiche Farbe wie die Sesselbezüge.

Die nächste Katze liegt gegenüber im „Lale Plak“, und man kann sie zum Trost dafür streicheln, dass man wieder zuviel Mäuse für CDs und Platten ausgegeben hat. Im Lale Plak wissen sie auch über das Konzertangebot der vielen Musikschuppen von Beyoglu Bescheid. Es hat für jeden Geschmack etwas. Das möndäne „Babylon“, das stimmungsvolle „Jazzcafe“, das funkige „Dulcinea“ oder das klassische Atatürk-Kulturzentrum.

Im „Nardis“ klingt der türkische Jazz so, als ob der Musiker in einen liebeskranken Kater blasen würde. Von soviel Weltschmerz erholen sich Herz und Ohren am schnellsten in der Sofyali Sokaci bei einem Glas türkischem Rotwein, der zugegeben etwas nach nasser Katze schmeckt.

Die Türken sind sowieso Raki-Trinker. Diesen mit Wasser verdünnten Anisschnaps trinken sie in einer „Meyhane“. In den Rakikneipen hinter dem schönen Fischbazar, in der „Cicek Passaji“ oder in den beiden traditionellen Künstler- und Intellektuellentreffpunkten „Yakup2“ und „Refiks“ werden dazu „Mezeler“, diese hervorragenden türkischen Vorspeisen gegessen. Die türkische Küche ist eine der besten der Welt und das Essen hat bei den Istanbulern einen hohen Stellenwert. Die immer frischen Zutaten werden liebevoll zubereitet.

Mit der gleichen Sorgfalt geht der „Kuaför“ beim Rasieren ans Werk. Männer, lasst das Rasierzeug zu Hause. Frauen, freut Euch auf einen durchgekneteten, glücklichen, zarten Mann, der wie ein frischgebratenes Wienerschnitzel nach Zitronensaft riecht und genauso Lust zum Reinbeissen weckt.

Zwischen Taksim- und Tünelplatz verläuft die Istiklal Caddesi, die pulsierende Geschäftsstrasse von Beyoglu. Eine Katze könnte hier nur unter die Räder der alten, roten Bimmelbahn geraten. Oder von einem „Simit“-Verkäufer mit seinem Wagen voller Sesamkringel angefahren werden.

Hier kann man sich bis spät in der Nacht treiben lassen. In den Buchhandlungen und Plattenläden haben, die weitsichtigen Türken ein Cafe oder eine Bar eingerichtet und natürlich gibt es eine Ladenkatze. Aber die schönste Katze von Beyoglu heisst “Kaktüs“. Sie wohnt im gleichnamigen Künstlerkaffee und hat ein gelbes und ein grünes Auge. Und sie besitzt einen zuverlässigen Geschmack. Auf ihrem Katzengang durchs Viertel, schleicht sie durch die Atlaspassage, vorbei an den Kinosälen und springt mit einem Satz auf den Barhocker in meiner Liebelingsbar. Wahrscheinlich macht sie auch das, was nirgendwo so gut geht wie im „Sefahathane“: Sich so richtig schön traurig, einsam und unverstanden fühlen.

Wieder zurück am Tünelplatz lockt die „Gramofon-Bar“-Katze und daraus wird dann am Morgen ein Kater. Und den lässt man am schönsten mit Blick auf den Bosporus ausschnurren. Auf der Terrasse einer der traumhaften Wohnungen „Über den Dächern von Istanbul“ von Erdogan Altindis.

NZZ am Sonntag, Oktober 2004
Text: Armin Meienberg